Mit „Anhängseln“ ist es so eine Sache: Es gibt wichtige, z.B. männliche, ohne die die Menschheit aussterben würde, so dass es dann auch keine Briefmarkensammler gäbe. Ansonsten steht der Begriff eher für etwas Minderwertiges, eine überflüssige bis lästige Begleiterscheinung oder eine unbedeutende Person. Bei Briefmarken finden sich häufig solche „Anhängsel“, z.B. in Form eines mitverausgabten Zierfelds. Die bekanntesten „Marken-Anhängsel“ sind aber Teile der Bogeneinfassungen, früher weiß, teils mit Zahlen bedruckt, heute bei jeder Marke im 10er-Bogen der Deutschen Post AG vorhanden. Bei den früheren großen Schalterbögen mit je über 100 Marken gab es das nur bei den Außenmarken am Bogenrand. Besonders begehrt sind diese „Anhängsel“ am unteren Bogenrand bei den frühen Briefmarken Israels, die mit sog. „Full Tabs“ viel höher bewertet werden. Doch achtete man im 19. Jahrhundert bei der Post fast nie auf diese Bogenränder und trennte sie vor dem Aufkleben als störendes Beiwerk ab, so dass nur wenige Marken mit einem „Anhängsel“ erhalten blieben und auf einem Brief wie z.B. dem hier abgebildeten französischen Faltbrief aus dem Jahre 1856 äußerst selten zu finden sind:
Der tadellos erhaltene Geschäftsbrief ist mit der 20 Centimes blau der noch geschnittenen 1. kaiserlichen Markenausgabe mit dem Portrait Kaiser Napoleons III. frankiert, die mit einer Auflage von fast 1 Mrd. Exemplaren aber eine „Massenware“ darstellt. Mit diesem Wert wurde nämlich das Standardporto für einen Brief der 1. Gewichtsstufe innerhalb Frankreichs entrichtet. Die Marke ist allseits vollrandig, jedoch nicht mit der Schere geschnitten, sondern, wie die ausgefransten Ränder belegen, regelrecht aus dem Schalterbogen „gerissen“. Doch glänzt die farbfrische Marke mit ihrem rechten bis zu 11 mm breiten Rand: Man erkennt dadurch sofort, dass die Marke vom rechten Bogenrand stammt, doch weist sie zudem die blaue Bogen-Randeinfassungslinie auf, die man in Frankreich „filet d‘encadrement“ nennt. Ein solches „Filet-Stück“ auf Brief bewertet der Maury-Katalog mit 400fachem Aufschlag, dies wegen seiner großen Seltenheit. Die Marke wurde mit dem Punktrhombenstempel von Bordeaux „441“ entwertet. Rechts ist zudem der Ortsstempel vom 23.1.1856 abgeschlagen. Der Brief der Spediteure Sallesses, Marcou & Cie. („Transports accelérés“) ist an Frédéric Pallier in Nîmes gerichtet. Dieser hatte sich zuvor über einen nachhaltigen Lieferverzug beschwert und wurde in unserem Brief dahingehend vertröstet, dass „das Schiff ‚Bretagne‘ noch nicht auf Reede läge, sondern wohl in irgendeinem Hafen auf besseres Wetter warte, man wolle aber alles tun, was möglich sei“. „Frédéric“ aus Nîmes erhielt am 25.1.1856 den Brief, der immerhin viel ausführlicher war als heutige Verzugsankündigungen wie „delayed“ oder „cancelled“ in der Luftfahrt oder bei der Bahn. Ob ihn jedoch das „Anhängsel“ mit dem „filet d’encadrement“ besänftigte, ist eher zu bezweifeln, genauso die Annahme, die Absender hätten ihn mit dieser Gabe trösten wollen.