Bremen 1867: „Portosenkung; kurz vor Torschluss“

Die Freie Hansestadt Bremen besaß die eigene Posthoheit bis Ende 1867 und verausgabte daher zwischen 1855 und 1867 eigene Briefmarken, die im Michel-Katalog mit 15 Hauptnummern gelistet sind. Doch ab 1.1.1868 war es damit vorbei, denn nach dem innerdeutschen „Bruderkrieg“ von 1866 setzte Preußen die Gründung des Norddeutschen Bundes unter seiner Führung durch, die sich auch in den ab 1868 verausgabten Briefmarken des Norddeutschen Postbezirks niederschlug. Nur die süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg verausgabten noch einige Jahre lang eigene Briefmarken, Bayern sogar bis 1920. Meist erhöhten sich im Laufe der Zeit die Portotarife, wie wir dies auch im 21. Jahrhundert von der Deutschen Post AG hinlänglich kennen. Portosenkungen gab es außer nach Währungsreformen hingegen fast nie, ausgenommen z.B. 1854 in Frankreich oder zum 1.1.1867 in Bremen. Betrug das Porto für einen Brief von bis zu 1 Loth Gewicht (= 16 2/3 g) zwischen Bremen und Bremerhaven bis 31.12.1866 noch 3 Grote, so sank es ab 1.1.1867 auf 2 Grote, wie der hier abgebildete Faltbrief belegt:

1867 Bremen
Unser Brief ist demgemäß mit der 2 Grote dunkelgelblichorange frankiert, die im März 1867 verausgabt wurde und zu den ersten gezähnten Briefmarken Bremens gehörte. Das Motiv bildet das Bremer Wappen mit dem Stadtschlüssel im Ornamentoval mit der Umschrift „STADT-POST-AMT BREMEN“ sowie der Wertangabe „ZWEI GROTE“. Die „Bremer Mark“ (= 3,32 Mark) war in 72 Grote unterteilt. Die farbfrische Marke weist geringfügige Mängel in Form leichter Zähnungsfehler und Bugspuren auf und ist mit dem zweizeiligen Rahmenstempel „BREMEN 23 11*4-5“ (= 23.11., 4-5 Uhr) exakt waagerecht entwertet. Obwohl sich auf der Briefhülle und in den Stempeln keine Jahreszahl findet, steht wegen des Ausgabetermins der Marke fest, dass der Brief im Jahre 1867 expediert wurde, und zwar nur gut 5 Wochen vor dem Ende der Bremer Posthoheit. Der Brief wird im „Bremer Archiv“ des Spezialisten und Prüfers Till Neumann unter Archiv-Nr. 10-82 geführt, wobei dort mit der 2 Grote (= Michel-Nr. 10) insgesamt 229 bis heute bekannt gewordene Briefe gelistet sind. Auch über den Absender verrät uns der Faltbrief nichts, doch zeigen ein Vergleich der Handschrift der Adressierung und der Name des Empfängers bei anderen Briefen mit Absenderstempel, dass der Absender die Bremer Firma „C.A.CAESAR & Co.“ war, deren Inhaber Clemens Albert Caesar (1790-1867) Weinhändler war, aber auch andere Produkte wie z.B. Aktivkohle-Wasserfilter vertrieb. Empfänger des Briefs mit dem rückseitigen Ankunftsstempel „BREMERHAVEN 23.11.“ waren die „Herren F.A.Schilling“ in Bremerhaven, die sich wie seinerzeit viele andere Bremer Betriebe mit der Tabakverarbeitung befassten, vornehmlich als Zigarrenmacher. - Der hübsche und gut erhaltene Brief belegt einerseits den seltenen Fall einer Portosenkung und wurde außerdem in den letzten Tagen der eigenständigen Bremer Postverwaltung befördert, somit „kurz vor Torschluss.“

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