Nach der französischen Kapitulation im Juni 1940 konnte im Westen nur noch Großbritannien Widerstand gegen Deutschland leisten. Die Kanalinseln vor der französischen Küste (nördlich von St. Malo und westlich von Cherbourg), die weder Teil des Vereinigten Königreiches noch Kronkolonie sind, sondern als Kronbesitz direkt der britischen Krone unterstellt sind, blieben jedoch schutzlos und wurden von deutschen Truppen praktisch kampflos erobert. Postalisch änderte sich zunächst wenig. Die Kanalinseln hatten damals noch keine eigenen Briefmarken. Es galten weiterhin die Marken von Großbritannien. Allerdings waren Teile der Markenvorräte bald aufgebraucht, so besonders die auf den Inseln wesentlich knapper vorhandenen Marken zu 1 Penny. Wie man dieses Problem lösen konnte, zeigt der nachstehende Brief:
Es handelt sich um einen in Guernsey am 8. Februar 1941 abgestempelten Einschreibebrief mit Eilzustellung. Der Brief trägt die dafür erforderlichen Aufkleber und ist an einen „Captain“ mit dem deutsch klingenden Namen Oskar Pilling gerichtet, also wohl einen deutschen Besatzungsoffizier im Range eines Hauptmanns. Der Aufgabestempel trägt nur den Namen der Insel Guernsey. Abgestempelt wurde der Brief aber höchstwahrscheinlich in der dortigen Hauptstadt St. Peter-Port. Gerichtet ist er nach Jersey, Guernseys Nachbarinsel, in den an der Nordküste gelegenen Ort Trinity.
Frankiert ist der Brief mit einer englischen Dauermarke, die König Georg VI. zeigt, den Vater der heutigen Queen, 3 Pence violett und einer Marke zu ½ Penny der Gedenkmarkenserie „100 Jahre Briefmarken“ 1840/1940 mit den Portraits von Königin Victoria und König Georg VI. Ganz bizarr sind aber die beiden Viererblocks am rechten Rand. Es handelt sich um Diagonalhalbierungen der Dauermarken zu 2 Pence dunkelorange mit Georg VI. und der gleichfarbigen 2 Pence-Marke aus dem vorerwähnten Jubiläumssatz. In Ermangelung von genügend 1 Penny-Marken hatte man es -bis zur Verausgabung neu gedruckter örtlicher Marken ab Februar 1941 - zugelassen, dass die in größerer Zahl vorhandenen 2 Pence-Marken diagonal halbiert wurden und so halbiert als 1 Penny-Marken verwendet wurden. Ganz so knapp kann aber der Markenbestand doch nicht gewesen sein, da unser Brief eindeutig zu philatelistischen Zwecken aufgemacht wurde und durch diagonal geschnittene Viererblocks jeweils alle vier möglichen Halbierungen der beiden Marken aufweist. Alle Marken, ganze und halbierte zusammengerechnet, ergeben ein Porto von 11 ½ Pence, der portogerechten Frankierung für Briefe bis zu 2 Unzen (2 ½ Pence), zzgl. Einschreib-Gebühr (3 Pence) und Express-Gebühr (6 Pence).
Im Zuge der deutschen Kapitulation fielen die Kanalinseln am 9.5.1945 kampflos an die Alliierten, weshalb dieser Tag noch heute als Liberation Day gefeiert wird. Winston Churchill soll die berühmten Worte gefunden haben: „… and our dear Channel Islands are also to be freed today“