1862: Ein ungeliebter König

1887 erschien in den Niederlanden die Spottschrift "König Gorilla" ("Uit het leven van Koning Gorilla") über einen Monarchen, der als unzivilisiert, cholerisch, animalisch, trunksüchtig und abstoßend beschrieben wird. Die Leser erkannten schnell, dass hiermit keine fiktive Figur gemeint war, sondern der damals regierende König der Niederlande Wilhelm III. (19.2.1817 – 23.11.1890). Drei Jahre später feierten viele offen auf den Straßen den Tod von "König Gorilla". Wie konnte es soweit kommen? Der König hatte weder Kriege geführt noch sich irgendwelcher Verbrechen oder eines Blutvergießens schuldig gemacht. Gerne wäre er ab seinem Regierungsantritt 1849 ein absoluter Monarch gewesen und er hasste, aber befolgte widerwillig die ihm auferlegten verfassungsrechtlichen Schranken, wie übrigens auch andere seiner "Berufskollegen", die den Begriff "Monarch", also "Alleinherrscher" gerne wörtlich genommen hätten. Wilhelm entfremdete sich bald auch von seiner 1. Ehefrau Sophie und hatte unzählige Affären, aus denen mindestens 11 uneheliche Kinder hervorgingen (aus Sicht Augusts des Starken eher eine "quantité négligeable"). Und 1875 wurde er in der Schweiz wegen Exhibitionismus zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er nackt gebadet hatte. Alles sehr unschöne Dinge, aber das oder Ähnliches taten einige andere Staatsoberhäupter auch, erfuhren aber keine vergleichbare Schmähung, die fast schon einer damnatio memoriae gleichkommt. Immerhin regierte Wilhelm III. 41 Jahre lang die Niederlande (und Luxembourg), und in dieser Zeit erschienen ab 1852 vier verschiedene Markenserien mit seinem Portrait. Einen sehr schönen Beleg der ersten, noch geschnittenen Ausgabe mit sechs Briefmarken präsentieren wir nachstehend:

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Es handelt sich um einen Geschäftsbrief aus dem Jahre 1862, der von Rotterdam in das nordirische Belfast gerichtet ist (damals gehörte noch die ganze "Grüne Insel" zu Großbritannien). Fünf Werte zu je 15 Cent gelborange, darunter ein waagrechtes und ein senkrechtes Paar, sowie ein Exemplar der 5 Cent hellblau bilden das Gesamtporto von 80 Cent, dem Tarif der 2. Gewichtsklasse (40 Cent pro 15 Gramm). Die Marken sind ausnahmslos (!) voll- bis breitrandig geschnitten und einzeln mit einem Kastenstempel "FRANCO" entwertet. Ziemlich mittig ist der Ortsstempel von Rotterdam mit dem Datum des 18.1.1862 abgeschlagen. Von Rotterdam ging es über den Kanal, dann via London gemäß rotem Transitstempel vom 20.1.über die Irische See nach Belfast, wo unser Brief gemäß rückseitigem Ankunftsstempel am 21.1., also nur drei Tage nach seiner Aufgabe eintraf. - Mag der Lebenswandel König Wilhelms III. bestimmt kein leuchtendes Vorbild gewesen sein, so beeinträchtigt derselbe nicht die Schönheit seiner königlichen Marken und ihrer frischen leuchtenden kontrastreichen Farben.

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