Als Christoph Kolumbus 1492 auf der Suche eines westlichen Seewegs nach Indien meinte, in der Karibik „fündig“ geworden zu sein, wähnte er sich in Indien, weshalb man seitdem diese Region „Westindien“ bzw. „The West Indies“ nennt. Dass er in Wahrheit den amerikanischen Kontinent neu entdeckt, und dieser nichts mit Indien zu tun hatte, sollte sich erst Jahre später erweisen. Der Begriff „Ostindien“ für den indischen Subkontinent kam als historische Bezeichnung und als Gegensatz zu „Westindien“ erst später auf, wurde aber durch die nach ihm benannten diversen Ostindischen Kompanien, vor allem der Niederlande und der Briten, bekannt. Ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gewannen die Briten die Vorherrschaft über Indien, und ab 1858 wurde Britisch-Indien Kronkolonie. Bombay, Madras, Calcutta und später Delhi sollten die wichtigsten britischen Handels- und Verwaltungszentren werden, wobei Bombay erster Anlaufhafen für alle Schiffe von und nach Europa war, um so mehr, als der Suezkanal ab 1869 eine direkte Verbindung mit dem Mittelmeer ermöglichte. Knapp 3 Jahre später verließ der hier abgebildete Geschäftsbrief aus dem Jahre 1872 den Hafen von Bombay, um in die USA nach New York befördert zu werden:
Die sehr gut erhaltene Faltbriefhülle wirkt -von geringfügigen Beförderungsspuren und zwei senkrechten Registraturbügen abgesehen, von denen einer leider durch die am rechten Rand befindliche Marke verläuft- insgesamt sehr frisch, so dass man ihr das stolze Alter von rund 150 Jahren gar nicht ansehen würde, gäbe es nicht die zeitgenössische Frankatur und die Stempeldaten. Das Poststück ist mit drei farbfrischen Briefmarken der damaligen recht kleinformatigen Ausgaben der indischen Postverwaltung frankiert, die jeweils Queen Victoria zeigen: der 8 Annas rosakarmin sowie einem waagerechten Paar der 8 Pies lila (1 Rupie= 16 Annas; 1 Anna= 12 Pies). Die Marken sind ungewöhnlich schön mit dem Ortsstempel Bombays vom 11.3.1872 in Fingerhutgröße abgestempelt, wobei die 8 A ideal zentrisch entwertet und der Ortsstempel zusätzlich links von ihr nochmals abgeschlagen wurde. Absender war gemäß rückseitigem ovalen violetten Firmenstempel die Handelsgesellschaft „Farnham & Co, Shipping & Commission Merchants, Bombay“, wobei daneben der ovale schwarze „Sea.Post.Office“-Stempel von Bombay vorhanden ist. Unser Brief wurde zunächst „via Brindisi“ nach London befördert (rotbrauner Transitstempel „London Paid“), bevor es dann quasi auf Kolumbus‘ Spuren auf einem britischen Dampfer über den „Großen Teich“ nach New York ging, wo er beim Empfänger = der Seifenfabrik „Robert Colgate & Co.“, deren deutsche Tochter später durch die „Colgate“-Zahnpasta berühmt wurde, gemäß vorderseitigem leuchtend orangeroten Ankunftsstempel am 15.4.1872 eintraf. So erreichte der aus dem Westen „Ostindiens“ stammende Brief das amerikanische Festland westlich von „Westindien“, so dass zwar nach geographischen Begriffen, aber eben nicht in der Realität ein „innerindischer Handel“ stattfand.