Frankreich 1871 II : „Graue Mäuse für den Empereur“

Als „graue Maus“ bezeichnet zu werden, gilt besonders bei Frauen ganz und gar nicht als Kompliment, versteht man darunter doch eine im Auftreten unauffällige, bescheidene und eher scheinbar unbedeutende Person, wobei dieser Eindruck noch durch graue Kleidung verstärkt werden kann. Vielleicht war das auch ein Grund, weshalb die Farbe „Grau“ für die meisten Postverwaltungen im 19. Jahrhundert bei der Ausgabe von Briefmarken keine primäre Wahl war. Doch musste „Grau“ mitunter in die „Bresche“ springen, wenn die anderen, vermeintlich schöneren Farben schon für andere Wertstufen vergeben waren, aber für einen Ergänzungswert noch eine weitere Farbe benötigt wurde. So geschah es z.B. in Frankreich bei den 4 Centimes-Marken für Drucksachen, denn sie wurden in grauer Farbe gedruckt. Dazu zählte auch die 4 C grau der sog. Bordeaux-Ausgabe von 1870/71. Aufgrund der deutschen Belagerung von Paris im Deutsch-Französischen Krieg war die Regierung nach Bordeaux geflohen, so dass die insgesamt 9 verschiedenen Wertstufen dieser Freimarkenserie dort zur Ausgabe gelangten, darunter der Wert zu 4 C, den wir auf dem hier abgebildeten Faltbrief aus dem Jahre 1871 gleich mehrfach vertreten finden:

16 1871 Frankreich II

Basis der mit 10 Briefmarken auf dem kleinformatigen Brief aufgebrachten äußerst ungewöhnlichen Frankatur ist ein waagerechter Fünferstreifen der 1 Centime grünlichbronze auf bläulich mit dem belorbeerten Portraitkopf („tête laurée“) des am 4.9.1870 gestürzten französischen Kaisers Napoleon III. (20.4.1808-9.1.1873; reg. 1852-1870). Dazu wurden ein waagerechtes Paar sowie ein waagerechter Dreierstreifen der 4 C grau der republikanischen Bordeaux-Ausgabe mit dem Abbild der Göttin Cérès, die jeweils vollrandig geschnitten sind, rechts und links rechtwinklig die Außenmarken des Fünferstreifens teilüberlappend, verklebt. Dies ergab das damalige Standardbriefporto von 25 C, das auch durch 2 Marken zu 20 und 5 C einfacher, aber damit unspektakulärer hätte entrichtet werden können. Alle Marken sind mit besonders klaren Punktrhombenstempeln der Gros Chiffres „3474“ entwertet, wobei diese Nummer für Suze-La-Rousse steht (zusätzlicher vorderseitiger Ortsstempel vom 14.9.1871), das rund 20 km nördlich von Orange im Département Drôme gelegen ist. Unser Prachtbrief war an einen Empfänger im 15 km entfernten Colonzelle gerichtet, wo er am Folgetag eintraf. - Die Frankatur des hervorragend erhaltenen Briefs, die 5 Marken des gestürzten Empereurs mit 5 „Grauen Mäusen“ kombiniert, dürfte in dieser Form wohl ein Unikat darstellen.

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